
Matrixstruktur & Betriebsratswahl: Ein Mitarbeiter, mehrere Stimmen?
Als Betriebsrat stehen Sie täglich vor der Aufgabe, die Interessen der Belegschaft zu vertreten. Grundlage dafür ist eine korrekt durchgeführte Betriebsratswahl. Doch was passiert, wenn die starren Strukturen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) auf die flexiblen, dynamischen Realitäten moderner Unternehmen treffen? Projektbasierte Arbeit, standortübergreifende Teams und/oder eine unternehmensinterne Matrixstruktur stellen Wahlvorstände immer wieder vor die schwierige Frage: Wer gehört eigentlich zu unserem Betrieb und wer ist demnach laut § 7 BetrVG wahlberechtigt? Die Sicherstellung, dass jeder wahlberechtigte Arbeitnehmer seine Stimme abgeben kann, ist eine Kernaufgabe bei der Wahlorganisation, denn eine falsche Entscheidung kann zur Anfechtung und Unwirksamkeit der gesamten Wahl führen. Genau in solch einem Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun entschieden. Und zwar so, dass das Ergebnis für viele Wahlvorstände bzw. Betriebsräte von enormer Bedeutung ist.
Betriebsinterne Matrixstruktur führt zu mehrfachem Wahlrecht
Geklagt hatte ein IT-Unternehmen, welches auf Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung seine Unternehmensbereiche innerhalb einer betriebsübergreifenden, unternehmensinternen Matrix-Struktur organisiert. Das heißt, es gibt Führungskräfte, die Mitarbeiter bereichsbezogen in mehreren Betrieben betriebsübergreifend führen. Wichtig dabei: im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um leitende Angestellte im Sinne des § 5 BetrVG.
Bei der Betriebsratswahl im „Betrieb Region Süd“ ließ der Wahlvorstand 2022 auch die dort eingesetzten 128 Matrix-Führungskräfte zur Wahl zu, obwohl sie einem anderen „Stammbetrieb“ zugeordnet waren und auch den Großteil ihrer Arbeit räumlich außerhalb des Betriebs Region Süd verrichteten.
Die Arbeitgeberin focht die Wahl daraufhin an, da sie ein doppeltes Wahlrecht für ausgeschlossen hielt. Das LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 13.06.2024, Az. 3 TaBV 1/24) gab ihr recht und erklärte die Wahl für unwirksam, da seiner Meinung nach eine Zuordnung zu einem Betrieb die Wahlberechtigung in einem anderen ausschließe.
BAG hebt „Exklusivität“ des Wahlrechts mit seiner Entscheidung auf
Dagegen erfolgte die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates vor dem 7. Senat des BAG. Dieser hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und stärkte damit die Position des Betriebsrats maßgeblich. Die Richter stellten klar, dass die Wahlberechtigung nach § 7 Satz 1 BetrVG nicht von einer formalen Zuordnung im Arbeitsvertrag abhängt, sondern allein von der tatsächlichen Eingliederung in die Organisation und den Arbeitsablauf des Betriebs. Somit kann, laut Aussage des Gerichts, ein Arbeitnehmer in mehreren Betrieben eingegliedert sein und daher auch in mehreren Betrieben ein Wahlrecht besitzen.
Allerdings trafen die Erfurter Richter keine abschließende Entscheidung im konkreten Fall. Sie verwiesen ihn zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurück. Dieses muss nun detailliert prüfen, ob die per Gesamtbetriebsvereinbarung geschaffene Betriebsratsstruktur überhaupt wirksam ist und ob die betreffenden Matrix-Führungskräfte tatsächlich so stark in den „Betrieb Region Süd“ eingegliedert waren, dass ein Wahlrecht dort gerechtfertigt ist.
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