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  • Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen
    Bildquelle: Coloures-Pic/stock.adobe.com

    Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen – Praxistipps für Betriebsräte, Personalräte und SBV

    Handlungsleitfaden für Betriebsrat, Personalrat und Schwerbehindertenvertretung
    Stand der Informationen: Nov. 2025
  • Inhaltsverzeichnis
  • Die Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX stellt ein wichtiges Mittel dar, um Arbeitsplätze für Beschäftigte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 oder 40 zu sichern.

    Die direkten Vorteile der Gleichstellung für Arbeitnehmer


    Die Anerkennung der Gleichstellung sorgt in erster Linie für mehr Sicherheit und bessere Unterstützung am Arbeitsplatz, da sie grundsätzlich die gleichen Schutzrechte und Förderungen wie bei schwerbehinderten Menschen auslöst:

    1. Besonderer Kündigungsschutz: Dies ist der wichtigste Vorteil. Der Arbeitnehmer erhält einen besonderen Schutz vor Kündigungen. Der Arbeitgeber muss zwingend vor jeder Kündigung (ordentlich und außerordentlich) die Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 ff. SGB IX einholen. Das Amt prüft, ob die Kündigung im Zusammenhang mit der Behinderung steht, was eine Kündigung deutlich erschwert.
    2. Förderung der Beschäftigung: Der Arbeitgeber kann finanzielle Hilfen von der Bundesagentur für Arbeit (BA), den Rehabilitationsträgern und dem Integrationsamt erhalten, um den Arbeitsplatz behinderungs- und leidensgerecht umzugestalten (z. B. spezielle Stühle, technische Arbeitshilfen) oder um eine Probebeschäftigung zu ermöglichen.
    3. Erleichterung bei der Jobsuche: Gleichgestellte profitieren von den Regeln der bevorzugten Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen, was die Einstellungschancen bei gleicher Eignung – insbesondere bei Arbeitgebern mit Beschäftigungspflicht – verbessert.

    Wichtig: Die Gleichstellung berechtigt NICHT zu Zusatzurlaub (5 Tage), vorgezogener Altersrente für schwerbehinderte Menschen oder einem Schwerbehindertenausweis (Nutzung ÖPNV-Vergünstigungen).

    Die Aufgaben der Interessenvertretung mit Blick auf Schwerbehinderung und deren Gleichstellung


    Um die genannten Schutzrechte und Vorteile für die Beschäftigten zu gewährleisten, ist die proaktive Beteiligung der Interessenvertretungen am Gleichstellungsverfahren zwingend erforderlich. Denn die fundierte Stellungnahme von Betriebsrat, Personalrat und SBV entscheiden oft über den Erfolg des Antrags.

    Die Aufgaben der Interessenvertretungen sind dabei vielfältig und ergeben sich aus dem SGB IX sowie dem BetrVG/BPersVG (oder analog anderen Landesgesetzen).

    • Förderpflicht: Gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG i. V. m. § 176 SGB IX hat der Betriebsrat die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Für den Personalrat ergibt sich dies aus § 62 Ziff. 4 BPersVG.
    • Überwachungspflicht: Die Interessenvertretungen haben darauf zu achten, dass der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen aus dem SGB IX nachkommt (§ 176 Satz 2 SGB IX). Dies umfasst unter anderem die behindertengerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen (§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX).
    • Wahl einer SBV: Betriebsrat und Personalrat haben auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken (§ 176 Satz 2 SGB IX).

    Benötigtes Wissen: Auskunftsanspruch des Betriebsrates laut BAG


    Um seine Aufgaben wahrnehmen zu können, benötigt der Betriebsrat umfassendes Wissen darüber, wer als schwerbehindert oder gleichgestellt im Unternehmen gilt.

    Dazu kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber eine vollständige Liste aller schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten, einschließlich der leitenden Angestellten, verlangen.

    Dieser Auskunft stehen auch keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegen, solange es ein adäquates Datenschutzkonzept im Betriebsrat gibt (vgl. Urteil des BAG, 09.05.2023, 1 ABR 14/22).

    Prüfungsrahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA)


    Die Entscheidung über die Gleichstellung trifft die Bundesagentur für Arbeit als eine ermessensgebundene Entscheidung. Dabei sind die Bearbeiter mit ihrer Entscheidung an Dienstanweisungen, die sogenannten „Fachlichen Weisungen“ gebunden (Fachliche Weisungen zu SGB IX; hier nachzulesen: https://www.arbeitsagentur.de/ueber-uns/veroeffentlichungen/gesetze-und-weisungen/sgbix-rehabilitation).

    Atypische Fälle, in denen der beabsichtigte Zweck nicht erreicht werden kann (z. B. Bezug einer Altersrente), führen in der Regel zur Ablehnung.

    Ein Antrag auf Gleichstellung kann zeitgleich mit einem Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) gestellt werden (vgl. Urteil des BAG vom 31.07.2014, 2 AZR 434/13). In solch einem Fall ist in den Fachlichen Weisungen geregelt, dass die Bearbeitung des Gleichstellungsantrages zurückzustellen ist. Erst mit Eingang des Nachweises über den festgestellten Grad der Behinderung werden weitere Schritte durch die BA eingeleitet.

    Antrag auf Gleichstellung – Die Kausalität ist entscheidend


    Die Gleichstellung wird nur erteilt, wenn die Behinderung (Mit-)Ursache dafür ist, dass der geeignete Arbeitsplatz nicht erlangt oder nicht erhalten werden kann (§ 2 SGB IX).

    Wichtig zur Antragsbindung: Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) ist die BA bei der Antragsprüfung nur an das gebunden, was der Antragsteller vorträgt (BSG, 06.08.2014, B 11 AL 16/13).

    Praxis-Tipp: Sollte sich im Laufe des Verfahrens herausstellen, dass der ursprüngliche Arbeitsplatz wegfällt oder nicht mehr geeignet ist, muss der Antragsteller zusätzliche Informationen liefern, damit die BA auch die Alternative „Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes“ prüfen kann.

    Beispiel: Stellt der Antragsteller den Antrag nur zum „Behalten eines Arbeitsplatzes“ und erhält im Verfahren eine Kündigung, prüft die BA von Amts wegen die Erlangensalternative. Damit die Gleichstellung jedoch für eine neue berufliche Tätigkeit gewährt werden kann, muss der Antragsteller seinerseits zusätzliche Informationen bereitstellen, etwa zu einem gewünschten Beruf oder einer potenziellen Versetzung.

    Behaltensalternative (bei einer Arbeitsplatzgefährdung)

    Hier prüft die BA, ob die Art und Schwere der Behinderung ursächlich dafür ist, dass der geeignete Arbeitsplatz gefährdet ist (behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung).

    • hilfreiche Nachweise und Gegebenheiten
      • wiederholte behinderungsbedingte Fehlzeiten (Prüfung durch den Ärztlichen Dienst der BA möglich).
      • dauerhaft verminderte Belastbarkeit oder Arbeitsleistung (auch bei behindertengerechter Ausstattung)
      • erkennbare Reaktionen des Arbeitgebers auf die Einschränkungen (z. B. Abmahnung, Fehlzeitengespräch)
      • Bedarf an technischen Hilfen oder auf Dauer notwendige Hilfeleistungen durch andere Mitarbeiter
    • nicht hilfreiche Begründungen
      • betriebliche Ursachen (Rationalisierung, Auftragsmangel), da diese nicht auf der Behinderung beruhen
      • fortgeschrittenes Alter, mangelnde Qualifikation oder allgemein ungünstige Arbeitsmarktsituation ( vgl. LSG Baden-Württemberg, 18.11.20211, L 13 AL 3853/10)
      • eine bloße abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes
      • allgemeine Hinweise, die Gleichstellung erleichtere die Integration ins Erwerbsleben

    Erlangensalternative (bei Nichterlangen eines geeigneten Arbeitsplatzes)

    In diesem Fall muss der behinderte Mensch in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Menschen ohne Behinderung in besonderer Weise beeinträchtigt sein, sodass er nur schwer vermittelbar ist.

    Wichtige Bestandteile der Begründung

    • Die Begründung muss sich auf einen konkret in Aussicht genommenen Arbeitsplatz oder eine entsprechende Tätigkeit beziehen.
    • Es muss dargelegt werden, dass die Behinderung (Mit-)Ursache für den Wettbewerbsnachteil ist.
    • Achtung: Ausführungen über irgendeinen „abstrakten“ Arbeitsplatz führen zur Abweisung des Antrags.

    Ihre Rolle als Interessenvertretung: Taktische Unterstützung


    Als Betriebsrat, Personalrat und SBV bringen Sie das notwendige betriebsinterne Wissen in das Verfahren ein, das für die Sachbearbeiter der BA entscheidend ist. Ihre Stellungnahme und Beratung müssen die fachlichen Anforderungen der BA-Weisungen punktgenau erfüllen.

    I. Der Kausalitäts-Check: Warum es nur um „diesen Arbeitsplatz“ geht

    Der wichtigste Punkt für eine erfolgreiche Antragstellung ist die individuell-konkrete Prüfung der BA.

    • Es geht nur um diesen Arbeitsplatz: Die BA prüft nicht abstrakt, ob der behinderte Mensch theoretisch irgendwo einen Arbeitsplatz finden könnte. Sie konzentriert sich ausschließlich auf die aktuell gefährdete Stelle (Behaltensalternative) oder die konkrete Stelle, die er sucht (Erlangensalternative).
    • Der Beweis liegt im Detail: Sie als Interessenvertretung müssen der BA nachweisen, dass die gesundheitlichen Einschränkungen genau bei dieser Tätigkeit oder genau an diesem Arbeitsplatz zu den Problemen führen.

    Fazit: Sie müssen die spezifischen Anforderungen der Stelle mit dem tatsächlichen Können und der Belastbarkeit des Beschäftigten vergleichen und diesen Zusammenhang detailliert beschreiben. Nur so kann die notwendige Kausalität bejaht werden.

    II. Nachweis der Eignung und 18-Stunden-Regel

    • Ausführliche Darstellung der Kausalität: Die Behinderung muss zumindest mitursächlich für das Problem sein (BSG, 06.08.2014, B 11 AL 16/13 R). Begründen Sie ausführlich auf einem Beiblatt, wie die Behinderung die Arbeitsfähigkeit konkret beeinflusst.
    • Mindestanforderung 18 Stunden: Denken Sie daran, dass für die Gleichstellung eine Tätigkeit von mindestens 18 Wochenstunden möglich sein muss (§ 156 Abs. 3 SGB IX).
    • Ungeeignete Arbeitsplätze: Ein Arbeitsplatz gilt nach BA-Weisungen als nicht geeignet, wenn sich die Behinderung trotz Umgestaltung bei Weiterbeschäftigung zu verschlechtern droht.

    III. Teilhabeleistungen aktiv prüfen

    • Die BA muss prüfen, ob der Arbeitsplatz mithilfe von Teilhabeleistungen (z. B. ergonomische Stühle, technische Hilfen, Hilfsmittel) behindertengerecht ausgestaltet werden kann.
    • Proaktives Handeln: Prüfen Sie diese vielfältigen Möglichkeiten im Vorfeld gemeinsam mit dem Arbeitgeber und dem Inklusionsbeauftragten auf deren Umsetzbarkeit.
    • Übermittlung an die BA: Die Ergebnisse dieser Prüfung müssen spätestens mit Ihrer Stellungnahme an die BA übermittelt werden.

    IV. Taktische und visuelle Unterstützung

    • Visuelle Hilfsmittel: Helfen Sie dem Antragsteller, Fotos, Skizzen oder Schmerztagebücher zu erstellen. Solche Nachweise visualisieren, wie die konkrete Behinderung die Arbeit direkt vor Ort einschränkt, was für die Sachbearbeiter der BA oft entscheidender ist als abstrakte ärztliche Diagnosen.
    • Einbeziehung von Experten: Ziehen Sie den Betriebsarzt oder den Integrationsfachdienst hinzu, um die Kausalität medizinisch oder beruflich zu untermauern.

    Fazit für die Interessenvertretung (BR, PR, SBV)


    Eine Ihrer zentralen Aufgaben zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist die Begleitung des Gleichstellungsantrags.  Die rechtliche Hürde ist beträchtlich: Es ist notwendig, der Bundesagentur für Arbeit schlüssig zu belegen, dass die Behinderung eine Ursache für die drohende Gefährdung des Arbeitsplatzes oder das Problem bei der Jobsuche darstellt.

    Sie haben eine Schlüsselrolle, da Sie die Detailkenntnisse und die betrieblichen Fakten bereitstellen, die für die BA-Anerkennung erforderlich sind.  Um Ihre gesetzliche Förderpflicht zu erfüllen und dem Kollegen den wichtigen Kündigungsschutz zu sichern, müssen Sie die Kausalität belegen und sicherstellen, dass er mindestens 18 Wochenstunden arbeitet (gemäß §156 Abs. 3 SGB IX).

    Weiterbildung für eine starke Vertretung


    Um diese komplexen Aufgaben erfolgreich zu meistern, ist eine fundierte juristische und strategische Weiterbildung unerlässlich. Wir empfehlen Ihnen folgende Seminare zur Stärkung Ihrer Kompetenzen:

    Fachliche Sicherheit im Arbeits- & Sozialrecht: Vertiefen Sie Ihr Wissen in den relevanten Rechtsgebieten für Ihre tägliche Arbeit: Seminare zum Arbeits- und Sozialrecht

    Grundlagen der SBV-Arbeit: Erwerben Sie das notwendige Basiswissen für eine rechtssichere Vertretung der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten: Grundlagen der SBV-Arbeit

    Proaktive Gestaltung: Lernen Sie, wie Sie mit dem Instrument der Inklusionsvereinbarung präventiv Arbeitsplätze sichern und die Zusammenarbeit im Betrieb gestalten: Inklusionsvereinbarung erfolgreich gestalten

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