
Fünf typische Fehler bei der Betriebsratswahl – und ihre rechtlichen Folgen
Keine Betriebsratswahl verläuft völlig fehlerfrei. Dennoch sollten Wahlvorstände keine Angst vor Fehlern haben. Die gesetzlichen Anforderungen an eine Wahlanfechtung (§ 19 BetrVG) sind hoch, und nur schwerwiegende Verstöße führen tatsächlich zur Ungültigkeit der Wahl (Nichtigkeit).
In diesem Beitrag werden fünf häufige Fehlerquellen vorgestellt, die in der Praxis immer wieder auftreten – mit rechtlicher Einordnung und Hinweisen auf die maßgeblichen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und der Wahlordnung (WO).
1. Fehlerhafte Bestellung des Wahlvorstandes
Fehlerquelle & rechtliche Folge:
Wird der Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß bestellt (z. B. durch ein unzuständiges Gremium, außerhalb der gesetzlichen Fristen oder durch einen Minderheitsbeschluss des Betriebsrats), kann dies zur Anfechtung führen.
Der Wahlvorstand ist das Gremium, das für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratswahl verantwortlich ist ( §§ 16-17a BetrVG).
1.1. Bestellung mit bestehendem Betriebsrat
Der Betriebsrat bestellt den Wahlvorstand durch Beschluss:
- Normales Wahlverfahren: Spätestens 10 Wochen vor Ende der Amtszeit.
- Vereinfachtes Wahlverfahren: Spätestens 4 Wochen vor Ende der Amtszeit.
Hat ihn der Betriebsrat nicht fristgerecht bestellt, kann der Gesamtbetriebsrat – oder, falls der nicht besteht, der Konzernbetriebsrat – den Wahlvorstand bestellen. Alternativ bestellt ihn das Arbeitsgericht, wenn mindestens drei Wahlberechtigte oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft das beantragen (§ 16 Abs. 2 BetrVG).
1.2. Bestellung ohne bestehenden Betriebsrat
In betriebsratslosen Betrieben bestellt ebenfalls der Gesamtbetriebsrat – oder, falls der nicht besteht, der Konzernbetriebsrat – den Wahlvorstand. Bleiben diese Gremien untätig oder sind nicht vorhanden, wird der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung bzw. Wahlversammlung gewählt (§ 17 Abs. 2 BetrVG bzw. § 17a Ziff. 3 BetrVG). Dazu können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebes oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen.
Sollte diese Betriebsversammlung nicht stattfinden oder keinen Wahlvorstand bestellen, bestellt ihn das Arbeitsgericht, wenn mindestens drei Wahlberechtigte oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft dies beantragen.
Hinweis : Für den Wahlvorstandes besteht ab seiner Bestellung Kündigungsschutz.
Damit die Beschäftigten, die zur Betriebsversammlung für die Wahl des Wahlvorstandes einladen oder den Antrag beim Arbeitsgericht stellen, nicht ohne Schutz sind, hat der Gesetzgeber für jene ebenfalls Kündigungsschutz vorgesehen. Der wirkt allerdings erst ab der Veröffentlichung der Einladung zur Betriebsversammlung bzw. ab der Antragstellung.
Um schon bei der Vorbereitung geschützt zu sein, sollten diese Beschäftigten eine Absichtserklärung verfassen und die Unterschrift notariell beglaubigen lassen. Das kostet einen niedrigen zweistelligen Betrag, den man später als Wahlkosten vom Arbeitgeber erstattet bekommt. (§ 15 Abs. 3a und 3b Kündigungsschutzgesetz)
Beispiel:
Ich, Max Mustermann, geb. am 01.01.2002 in Musterstadt, erkläre, dass ich die Absicht habe, im Betrieb Pflege-Engel GmbH einen Betriebsrat zu errichten.
Ort, Datum Unterschrift
Achtung Nichtigkeit
Nur besonders grobe, offensichtliche Mängel (z. B. Bestellung durch ein völlig unzuständiges Gremium oder Bestellung durch eine offensichtliche Minderheit des Betriebsrats) führen zu einer unwirksamen Bestellung und können die Nichtigkeit der gesamten Wahl bewirken. Nicht jeder Fehler bei der Bestellung hat die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge (vgl. BAG, Beschluss vom 27.07.2011, 7 ABR 61/10).
Mitglieder des Wahlvorstandes haben nach § 20 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Schulung zu den Themen der Betriebsratswahl. Die Kosten trägt der Arbeitgeber. Der Schulungsanspruch soll sicherstellen, dass der Wahlvorstand die komplexen Wahlvorschriften korrekt anwenden kann.
Sollte sich während der Seminarteilnahme herausstellen, dass die Bestellung des Wahlvorstandes fehlerhaft war, so hat die Bestellung wie in Punkt 1 beschrieben, erneut zu erfolgen.
2. Falsches Wahlverfahren: Normal oder vereinfacht?
Fehlerquelle & rechtliche Folge:
Wird das falsche Verfahren angewendet – etwa das vereinfachte Verfahren ohne rechtliche Grundlage – liegt ein wesentlicher Verstoß gegen Wahlvorschriften vor, der zur Anfechtung der Wahl führen kann (§ 19 BetrVG).
Ein häufiger Fehler ist die Anwendung des falschen Wahlverfahrens. Das anzuwendende Verfahren richtet sich nach der Anzahl der wahlberechtigten Beschäftigten im Betrieb (§§ 14, 14a BetrVG):
| Wahlverfahren | Voraussetzungen | Gesetzliche Grundlage |
| Vereinfachtes Wahlverfahren (obligatorisch) | 5 – 100 wahlberechtigte Beschäftigte | § 14a Abs. 3 BetrVG |
| Vereinfachtes Wahlverfahren – Wahlmöglichkeit (nach Vereinbarung mit Arbeitgeber) | 101 – 200 wahlberechtigte Beschäftigte | § 14a Abs. 5 BetrVG |
| Normales Wahlverfahren | ab 201 wahlberechtigten Beschäftigten | § 14 BetrVG |
TIPP: Unsere Wahlvorstandsseminare richten sich ganz nach Ihren Bedürfnissen: Von wiedergewählt bis neubestellt & vom vereinfachten bis zum normalen Wahlverfahren. Schauen Sie doch gleich mal in unsere Übersicht: https://kk-bildung.de/betriebsratswahl/. Und sollten Sie unsicher sein, welches das richtige Wahlverfahren für Ihr Unternehmen ist, dann melden Sie sich bei uns. Wir helfen gerne weiter!
3. Fehler bei Wahlausschreiben und Wählerliste
3.1. Frist- und Formfehler beim Wahlausschreiben
Fehlerquelle & rechtliche Folge:
Wird die Wahl ohne oder mit zentral fehlerhaftem Wahlausschreiben durchgeführt oder werden die Mindestfristen nicht eingehalten, ist sie nichtig (ohne Wahlausschreiben) oder zumindest anfechtbar (mit fehlerhaftem Wahlausschreiben), da gegen zwingende Wahlgrundsätze verstoßen wurde (vgl. BAG, Beschluss vom 20.01.2009 – 7 ABR 65/07).
Das Wahlausschreiben ist der zentrale Startschuss der Betriebsratswahl. Es wird vom Wahlvorstand per Beschluss verabschiedet und muss vom Vorsitzenden sowie mindestens einem weiteren Mitglied unterschrieben werden.
Gleichzeitige Bekanntmachung:
Mit dem Erlass des Wahlausschreibens müssen am selben Tag auch die Wählerliste und ein Exemplar der Wahlordnung im Betrieb den Beschäftigten zugänglich gemacht werden (§ 2 Abs. 4 WO).
Fristen für den Erlass:
- Normales Wahlverfahren: Spätestens sechs Wochen vor dem ersten Wahltag (§ 3 WO).
- Vereinfachtes Wahlverfahren: Hier ergibt sich aus den Fristen zur Einreichung von Wahlvorschlägen eine Mindestfrist von zwei Wochen vor dem Wahltag.
3.2. Fehler bei der Wählerliste und dem Einspruchsverfahren
Fehlerquelle & rechtliche Folge:
Fehlerhafte Listenführung: Ist die Wählerliste unvollständig (fehlende Wahlberechtigte) oder fehlerhaft (falsche Zuordnung der Wählbarkeit), ist dies ein wesentlicher Verstoß und kann zur Anfechtung führen.
Mangelnde Einsicht/Einspruchsmöglichkeit: Arbeitnehmer müssen die Möglichkeit haben, die Liste zu prüfen und fristgerecht Einspruch dagegen einzulegen (§ 4 WO). Wird die Liste nicht ordnungsgemäß ausgelegt oder ein rechtzeitiger Einspruch des Arbeitnehmers fehlerhaft vom Wahlvorstand beschieden, ist dies ebenfalls ein Anfechtungsgrund.
Die Wählerliste ist die Basis für das aktive und passive Wahlrecht und muss ebenfalls korrekt erstellt werden.
Gleichzeitigkeit: Mit dem Erlass des Wahlausschreibens müssen am selben Tag auch die vom Wahlvorstand beschlossene Wählerliste und ein Exemplar der Wahlordnung im Betrieb zur Einsichtnahme ausgelegt werden ( Abs. 4 WO).
Praxistipp: Den Erlass des Wahlausschreibens und die Auslegung sollten Sie schon sieben Wochen – beim vereinfachten Verfahren vier Wochen – vor der Wahl einplanen.
4. Durchführung der Betriebsratswahl ohne Wahlvorstand
Fehlerquelle & rechtliche Folge:
Eine Wahl ohne formell bestellten Wahlvorstand ist nichtig.
Eine Betriebsratswahl ohne Wahlvorstand ist rechtlich unmöglich.
Der Wahlvorstand ist das einzige Gremium, das befugt ist,
- die Wählerliste zu erstellen,
- das Wahlausschreiben zu erlassen,
- Wahlvorschläge zu prüfen,
- die Stimmabgabe zu organisieren und
- das Wahlergebnis festzustellen.
5. Wahl außerhalb des gesetzlichen Wahlzeitraums ohne Grund nach § 13 Abs. 2 BetrVG
Die regelmäßigen Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt (§ 13 Abs. 1 BetrVG).
Eine Wahl außerhalb dieses Zeitraums (außerordentliche Betriebsratswahl) ist nur in den Ausnahmefällen des § 13 Abs. 2 BetrVG zulässig, z. B.:
- Wesentliche Veränderung der Belegschaftsstärke (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG): Dies liegt nur vor, wenn die Zahl der Arbeitnehmer mit Ablauf von 24 Monaten nach dem Wahltag um die Hälfte und gleichzeitig um mindestens fünfzig gestiegen oder gesunken ist.
- Sinken der Mitgliederzahl unter die gesetzlich vorgeschriebene Zahl (auch nach Einrücken aller Ersatzmitglieder).
- Rücktritt des Betriebsrats (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG): Der Rücktritt muss mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder beschlossen werden.
! Wichtiger Unterschied: Rücktritt vs. Amtsniederlegung
- Rücktritt (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG): Löst Neuwahlen aus. Der Betriebsrat bleibt bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses geschäftsführend im Amt ( § 22 BetrVG).
- Amtsniederlegung (§ 24 Nr. 2 BetrVG): Wenn alle Betriebsrats- und Ersatzmitglieder niederlegen, tritt sofortige Betriebsratslosigkeit ein.
Folge von Anfechtung und Nichtigkeit der Betriebsratswahl
Folge bei Anfechtung:
Im Falle der erfolgreichen Wahlanfechtung oder gerichtlichen Auflösung endet das Amt des Betriebsrats sofort mit Rechtskraft des Beschlusses. Es besteht kein geschäftsführendes Restmandat. Daher kann der Betriebsrat nach der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichtes keinen Wahlvorstand mehr bestellen.
Folge bei Nichtigkeit:
Im Unterschied zur Anfechtung, die nur die Amtszeit beendet, führt die gravierendere Nichtigkeit dazu, dass alle Beschlüsse und alle Betriebsvereinbarungen, die dieser Betriebsrat bewirkt hat, unwirksam sind, denn diesen Betriebsrat hat es rechtlich nie gegeben.
Fazit: Fehler vermeiden, ohne Angst zu haben
Fehler bei der Betriebsratswahl kommen in der Praxis vor und lassen sich nicht immer vermeiden. Entscheidend ist, dass der Wahlvorstand die gesetzlichen Vorschriften kennt, Fristen einhält und sorgfältig dokumentiert.
Eine Wahlanfechtung kann nur innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen (§ 19 Abs. 2 BetrVG). Die Hürden dafür sind hoch, und Fehler führen nicht zu Strafen, sondern höchstens zu einer Neuwahl.
Gut vorbereitete Wahlvorstände sorgen für Rechtssicherheit, Akzeptanz und Vertrauen – die Grundlage jeder erfolgreichen Betriebsratsarbeit.
Empfehlung: Gut vorbereitet mit unseren Wahlseminaren
Die Aufgaben des Wahlvorstands sind vielfältig – von der rechtssicheren Einleitung der Wahl über die Erstellung der Wählerlisten bis hin zur korrekten Auszählung der Stimmen. Dabei ist jede Entscheidung genau zu dokumentieren und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zu treffen.
Um diese Verantwortung souverän und rechtssicher wahrnehmen zu können, ist fundiertes Wissen unabdingbar.
Nach § 20 Abs. 3 BetrVG haben Mitglieder des Wahlvorstands einen gesetzlichen Anspruch auf Schulung. Die Kosten trägt der Arbeitgeber. Unsere Seminare vermitteln Ihnen genau das Wissen, das Sie für eine ordnungsgemäße Betriebsratswahl benötigen – praxisnah, verständlich und auf den Punkt gebracht.
In unseren Wahlvorstandsseminaren erfahren Sie unter anderem:
- wie Sie typische Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung im jeweiligen Wahlverfahren vermeiden,
- welche Fristen Sie zwingend beachten müssen,
- wie Sie mit Einsprüchen, Anfechtungen oder organisatorischen Problemen umgehen,
- und welche Rechte und Pflichten Sie als Wahlvorstand haben.
Unsere erfahrenen Referentinnen und Referenten führen Sie Schritt für Schritt durch alle Phasen der Wahl – von der Bestellung des Wahlvorstands bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Sie erhalten aktuelle Mustervorlagen, Checklisten und Praxistipps, die Sie unmittelbar im Betrieb einsetzen können.
Tipp: Auch ohne Vorkenntnisse sind Sie bei uns richtig. Die Seminare für neubestellte Wahlvorstände richten sich ausdrücklich an Beschäftigte, die erstmals eine Betriebsratswahl vorbereiten. Ebenso bieten wir für erfahrene Wahlvorstände Seminare zur „Auffrischung“ des Wissens an, denn aufgrund der komplizierten Materie kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass 4 Jahre nach der letzten Wahl ein erneuter Anspruch auf eine Schulung besteht.
Alle aktuellen Termine und Seminarorte finden Sie hier
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